Wirkung der Kostensenkungsaufforderung (SGB II – Hartz 4) bei einer zwischenzeitlich deutlichen Erhöhung der Unterkunftskosten – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – Urteil vom 23.10.2020 [nicht rechtskräftig]- Aktenzeichen L 3 AS 116/17

In einem am 23.10.2020 verkündeten und am 04.11.2020 zugestellten Urteil hat sich das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (L 3 AS 116/17) in einem begrüßenswerten Urteil mit der Frage auseinandersetzt, ob und wie einerseits eine sog. (Miet-)Kostensenkungsaufforderung aus dem Jahre 2005 noch im Jahre 2011 für Leistungsbezieher*innen Wirkung entfalten kann, wenn eine deutliche Erhöhung der Mietkosten zwischenzeitlich erfolgte  (1.) und anderseits, ob es zulässig ist, bei der Betrachtung des Wohnungsmarktes auch Wohnen in Wohngemeinschaften miteinzubeziehen oder ob diese Wohnform mit einer erheblichen Aufgabe der Privatsphäre  der Leistungsbezieher*innen  einhergeht und daher diese Aufgabe der Privatsphäre einer Einbeziehung entgegegensteht (2.). Diese Entscheidung könnte eine bundesweite Bedeutung entfalten (3.).

1. Zur Kostensenkungsaufforderung:

„Zwar hat der Beklagte (…) mit Schreiben vom 01.03.2005 auf die Unangemessenheit der tatsächlichen Unterkunftskosten aus seiner Sicht hingewiesen. Dabei mangelt es aber schon an der konkreten Bezeichnung der angemessenen Unterkunftskosten (…) Ein erst im Jahr 2011 entwickeltes Konzept kann aber keine Grundlage für einen im Jahr 2005 begonnenen „Dialog über die angemessenen Unterkunftskosten“ bilden. [Vergleiche BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R, Rn 33.]“ (Urteil vom 23.10.2020, S. 13f.)

Im Wesentlichen mit dieser Begründung wurde festgestellt, dass keine wirksame Kostensenkungsaufforderung für das Jahr 2011 ergangen war.

2. Zum Wohnen in Wohngemeinschaften:

„Bei der Ermittlung grundsicherungsrechtlich angemessener Unterkunftskosten können nur Wohnungen berücksichtigt werden, die der Gesamtheit der Grundsicherungsempfänger jedenfalls abstrakt zumutbar sind. Die individuelle Entscheidung einzelner Personen, in der Regel jüngerer Menschen, für eine gemeinschaftliche Wohnform kann dabei nicht im Rahmen der abstrakten Angemessenheit fremdbestimmt auf alle Grundsicherungsempfänger übertragen werden“ (Urteil vom 23.10.2020, S. 15f.)

Im Wesentlichen mit dieser Begründung wurde die Einbeziehbarkeit verneint.

3. Die Anwaltskanzlei Audörsch hält insbesondere die Ausführungen zur Wirkungsdauer einer Kostensenkungsaufforderung für bundesweit relevant, sofern das Urteil rechtskräftig werden sollte. Daher dürfte es weiterhin sinnvoll sein, dass alle Leistungsbezieher*innen, die schon länger im Leistungsbezug gem. SGB II/ XII stehen, einen Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X stellen, soweit nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernommen werden oder per Kontaktformular auf dieser Seite mit der Anwaltskanzlei Audörsch Kontakt aufnehmen, um mit dieser Argumentation ggf.  vollständige Kosten der Unterkunft rückwirkend bis zum 01.01.2019 zu erhalten, sofern der Überprüfungsantrag bis zum 31.12.2020 gestellt werden würde.

Lesen Sie hier hier die vollständige Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23.10.2020 zum Aktenzeichen L 3 AS 116/17.

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